Städtebau und Architektur
Gemäß der Aufgabenstellung, die kirchliche Zeichenhaftigkeit der St. Jürgenkirche in Verbindung mit dem Alten Pastorat im öffentlichen Raum zu stärken, arbeitet der Entwurf mit einer sensiblen Öffnung des Raumes um das Südschiff der Kirche in Verbindung mit der angedeuteten Wegebeziehung zwischen Pastorat und Kirche. Die vorhandene grüne Hecke wird nach Süden durch breite Natursteinbänke ersetzt, die den Passanten zum Verweilen am neu geschaffenen Gemeindehaus einladen und gleichzeitig behutsam auf die Veränderung der inneren Strukturen der Kirche hinweisen.
Seitliche Eingänge am Übergang zum Hauptschiff sorgen für unabhängige Nutzungsmöglichkeit des Südschiffs und geben den Besuchern bei kulturellen und musikalischen Veranstaltungen die Möglichkeit den Garten und Vorhof in den Pausen zu nutzen.
Der Torbogen des alten Pastorats bleibt in unveränderter Form als Eingangsgeste für das Büro der Kirchengemeinde und das Diakonsiche Werk erhalten. Zwei Granitblöcke flankieren den Zugang in den Innenhof und beschreiben so die Verbindung zur St. Jürgen Kirche.
Kirche
Um die Großzügigkeit des Raumes im Südschiff zu bewahren, arbeitet der Entwurf mit behutsamen Eingriffen in die Deckenkonstruktion und schafft mit einer mobilen Trennwand an der Nahtstellen zum Hauptschiff flexible Nutzungsmöglichkeiten, ohne die zusammenhängende Nutzung von Hauptschiff und Südschiff einzuschränken.
Aufgrund der geneigten Fußbodenfläche im Hauptschiff vom Eingang in Richtung Altar wird empfohlen, den Fußboden zu erneuern und um eine Stufenhöhe anzuheben. Gleichzeitig wird Boden im Südschiff um um eine Stufe abgesenkt.
Auf diese Weise ist eine vollständige Barrierefreiheit beider Räumlichkeiten sowie eine höhere Flexibilität in der Nutzung erzielbar.
Darüber hinaus ermöglicht der Umbau des Bodenbelags eine Verbesserung der Installation von Technik und verbesserten Dämmeigenschaften und nicht zuletzt eine harmonische Verbindung beider Raumsituationen.
Die Faltschiebetrennwand nimmt die vorhandene Sturzhöhe über den beiden seitlichen Eingängen auf, die durch eine innere und äußere Umrahmung betont werden. Gleichzeitig entsteht eine Schleuse, die in der kalten Jahreszeit durch Vorhänge ergänzt werden kann und auf diese Weise Windfangfunktionen übernehmen kann.
Oberhalb der Falttrennanlage ist eine Verglasung vorgesehen, die beide Räume miteinander optisch verbindet.
Die Falttrennwand erhält eine ornamenthafte Perforation mit einer Glasscheibe im Zwischenraum, so dass das Sonnenlicht auch im geschlossenen Zustand bis in das Hauptschiff gelangen kann, die akustischen Eigenschaften jedoch erhalten bleiben.
Die Deckenkonstruktion im Südschiff wird so umgestaltet, dass die Balkenlage sichtbar wird. Eine hölzerne Akustikdecke mit linearer Fräsung hilft den Schall zu absorbieren.
Im weiteren Verlauf der Planung wird empfohlen, diese Möglichkeit auch für das Hauptschiff zu untersuchen, um einerseits den historischen Zustand wieder herzustellen und andererseits einen besseren Raumeindruck mit einer verbesserten Akustik zu erlangen.
Durch die neue Raumsituation ergeben sich vielfältige Möblierungs- und Nutzungsvarianten. So lässt sich beispielweise auch das Südschiff in das Hauptschiff erweitern und sorgt mit transluzenten Vorhängen für ganz neue Raumeindrücke.
Der Entwurf verzichtet aus Kostengründen auf eine Nutzung des Dachraumes oberhalb des Südschiffs. Diese Option könnte jedoch bei einer vertiefenden Betrachtung der Gesamtmaßnahme in Form einer Galerie in einer weiteren Phase umgesetzt werden. Derzeit spricht die ‚Unordnung’ der Dachkonstruktion über dem Hauptschiff und der damit verbundene Mangel an Fluchtwegmöglichkeiten gegen diese Lösung.
Pastorat
Wenige behutsame Eingriffe in die vorhandene Substanz, führen zu einer für die angedachte Nutzung ausreichenden Raumaufteilung bei gleichzeitig deutlich verbesserter Orientierung.
Das Diakonische Werk erhält den breiteren rechten Flügel des Pastorats. Hier bleibt die historische Treppe erhalten, die WC- Anlagen werden erneuert und eine großzügige Flurzone ermöglicht einen barrierefreien Zugang vom Hof.
Das Kirchenbüro im Ostflügel wird auf die gleiche Weise strukturiert und erhält eine neue notwendige Treppenanlage, die auch der Entfluchtung des gesamten Obergeschosses dient.
Auf diese Weise werden die Anforderungen an den Brandschutz erfüllt, gleichzeitig dient ein Gemeinschaftsraum im 1. Obergeschoss als Schleuse und Verbindungselement beider Einrichtungen.
Im Dachgeschoss entstehen multifunktional nutzbare Räume, die über eine Faltschiebeanlage zu einem 80 qm großen Raum zusammen erweitert werden können und so Platz schaffen für Chorproben und größere Versammlungen.
Bauweise + Material
Beide Gebäude erhalten in zurückhaltender Weise eine Kombination weniger Materialien und Farben. Hierbei sind Weiss an den Wänden in geputzter und geschlämmter Form und an den Decken als Farbanstrich der zumeist Hölzernen Oberflächen, kombiniert mit blass gebeizten Eicheneinbauten und Möbeln die vorherrschende Farbgebung. Ein sandsteinfarbiger Fußboden ergänzt die zurückhaltende und natürliche Ausstrahlung der Innenräume.
Auf diese Weise erstrahlt die Kirche und das ehrwürdige Alte Pastorat in hellen, neuen und bescheidenen Farbtönen und dezenten Materialien und es bleibt viel Raum für eine bunte Nutzungsvielfalt.
Freianlagen, Verbindung von Pastorat und Kirche
Durch die Umstrukturierung der Kirche im Innern öffnet sich die Kirchengemeinde St. Jürgen einem breiteren öffentlichen Themenfeld. Diese Öffnung spiegelt sich in der Freianlagengestaltung wieder. Die nach Süden gerichtete abgrenzende Ligusterhecken werden durch Natursteinblöcke ersetzt, die den Flaneur zum verweilen einladen und der Kirche zu einer größeren Aufmerksamkeit im öffentlichen Raum verhelfen.
Im Bereich des Südschiffs werden die 40 cm hohen Sitzblöcke unterbrochen und markieren die Wegebeziehung zwischen dem Alten Pastorat der Kirche.
Zwei weitere Blöcke bilden ein Spalier vor dem Torbogen des Pastorats und erinnern an die Zeit, als hier noch ein Vorgarten war. Gleichzeitig stellen sie, zusammen mit einer in den vorhandenen öffentlichen Belag eingelegten linearen Streifen, die Verbindung von Pastorat und Kirche her und machen den Passanten aufmerksam auf die Zusammengehörigkeit der beiden Gebäude.
Der gesamte Bereich um das Südschiff erhält anstelle der Rasenflächen eine platzartige Befestigung aus Naturstein in teils loser Schüttung und in befestigter Form (Weg).
Das neue Zentrum der Kirchengemeinde St. Jürgen kommt auf einer Platzfläche zu stehen und wird den Bürgern und Gästen in subtiler Weise ins Auge fallen.